Krank und allein: Verseuchung und Verfall in den Romanen Imperium von Christian Kracht und Pestnächte von Orhan Pamuk
Abstract
Krank und allein: Verseuchung und Verfall in den Romanen Imperium von Christian Kracht und Pestnächte von Orhan PamukDie literarischen Repräsentationen der Insel sind unterschiedlich. Inseln werden als abgelegene und unzugängliche, als naturgeschützte und unbewohnte Bilder entworfen. Als solche halten sie die Reflektionen auf die Ortskonstruktionen der Wildnis, Einsamkeit und Abgeschlossenheit lebendig. Ferner treten sie als bewegliche, schwimmende oder sinkende, Naturräume hervor, die als Motiv der inneren Unruhe und Anspannung gelten. Es gibt auch Insel-Konstruktionen, die die Tradition von Thomas Morus’ Utopia fortführen und nicht nur utopische, sondern auch politische Räume darstellen.Gemeinsam haben diese Darstellungen jedoch, dass sie implizit oder explizit in Verbindung mit dem Aspekt der Isoliertheit stehen. Gerade in Bezug auf die Isolation – mit der wir in der aktuellen Zeit aufgrund der Pandemie konfrontiert werden – bietet sich die Insel als idealer Ort für die Darstellung der Krankheiten bzw. des Krankhaften an. Insel und Krankheit bilden nicht nur in sich geschlossene Einheiten, sondern verstärken sich gegenseitig zu einer Motivkombination und transferieren die Metaphorik auf eine Metaebene der Sozial- bzw. Zeitkritik. Deren Kombination lässt in Imperium (2012) von Christian Kracht und Pestnächte (2021) von Orhan Pamuk eines erkennen, dass die Krankheit– sei es aus seuchenhygenischen oder geographischen Gründen – Isolierung erfordert und sich durch die insulare Isoliertheit in ein Symbol verwandelt.Dass in diesem Sinne besonders Epidemien ein häufig verwendetes Motiv für soziale Turbulenzen darstellen, hat in der Literatur eine lange Tradition. Der im März 2021 erschienene neue Roman des türkischen Nobelpreisträgers knüpft genau an diese Tradition an, indem er auf der imaginären osmanischen Insel Minger durch die dritte Pestwelle Asiens von 1901 die Grenze zwischen Ost und West, zwischen Fatalismus und Moderne, zieht. Auch Christian Kracht erzählt in Imperium nicht nur eine Inselgeschichte, sondern stellt zugleich eine Krankengeschichte vor, indem er die historische Figur August Engelhardt nachzeichnet, der auf Kabakon, einer Südseeinsel in den deutschen Kolonien, eine neue Religion gründet und in einen Wahnsinn gerät, der die ideologischen Neurosen des 20. Jahrhunderts antizipiert. In der vorliegenden Arbeit wird die Motivkombination von Insel und Krankheit anhand der genannten Werke vollzogen werden.
URI
http://hdl.handle.net/20.500.12627/173101http://www.ub.edu/filoal/SGE/2021%20SGE%20XVI%20congreso/Abstracts_XVISGE%20(1).pdf
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- Bildiri [64839]